MEDIZINISCHE SICHT
आयुर्वेद Ayurveda – Die medizinische Perspektive
tasyāyuṣaḥ puṇyatamo
vedo vedavidāṃ mataḥ |
vakṣyate yan manuṣyāṇāṃ
lokayor ubhayor hitam
„Das Wissen vom gesunden, glücklichen und langen Leben“
Disclaimer: dies ist der Versuch einer Beschreibung und Interpretation altindischer Texte. Es ist keine medizinische Anleitung. Nur ein erfahrener, gut ausgebildeter ayurvedischer Mediziner kann Verschreibungen und Behandlungen durchführen!
In Österreich sind jedwede Diagnose, Therapie und Prognose exklusiv den Ärzten der westlichen medizinischen Wissenschaft vorbehalten.
„Nun wird der Veda über Ayus, das Wissen über das Leben, erklärt werden, den die Veda-kundigen als den heiligsten Veda ansehen,
der für die Menschen in beiden Welten heilsam ist“.
Charaka Samhita I,30,22
Die anderen Veden sind nur für das Jenseits heilsam, der Āyurveda aber für das Diesseits und das Jenseits.
Am Leben teilnehmen zu können ist die Grundvoraussetzung für die Erfüllung der vier Ziele der menschlichen Existenz (puruṣārtha):
- Pflichterfüllung (dharma),
- rationales Handeln (artha),
- Erfahrung der Freuden (kāma)
- Lösung von allen Bindungen (mokṣa)
Ayurveda ist das weltweit älteste bekannte traditionelle Gesundheitssystem und wird von vielen Veda-kundigen als der heiligste Veda (puṇyatama) bezeichnet, da er sowohl im Diesseits als auch im Jenseits wirkt.
Der Ursprung von Ayurveda liegt im Verborgenen, in der vorgeschichtlichen, mythischen Zeit. In den Schriften der vedischen Hochkultur Altindiens gilt das Narrativ, dass sie aus yogischer Erkenntnis von weisen Rishis verfasst wurden. Tatsächlich wurde das Wissen dieser, alle Aspekte des Lebens umfassenden Heilkunst eingebettet in den ganzen Kosmos, davor über Jahrtausende mündlich von Generation zu Generation weitergegeben.
Untermauert durch astronomischer Referenzen in der Rigveda werden diese auf bis zu 12.000 v. Chr. datiert. Archäologische Funde wie z.B. eine 60 Meter unter dem Meeresspiegel liegende Stadt an der Küste Gujrats unterstützen solche Angaben. Westliche Linguisten lehnen diese frühe Datierung jedoch ab, stützen sich dabei allerdings auf die inzwischen kontrovers diskutierte „arian invasion theory“.
Die ältesten, in Fragmenten erhaltenen Original Texte sind über 3800 Jahre alt und wurden in Sanskrit verfasst.
Ayurveda ist die Wissenschaft des Lebens, mit einem ganzheitlichen Ansatz für Gesundheitsentstehung in einer prinzipiell personalisierten Medizin.
„Ein Arzt, der nicht mithilfe der Fackel seines Wissens und seines Intellekts in das innerste Wesen des Patienten eindringt, um alle Tatsachen über den Erkrankten und sein Leiden herauszufinden, ist nicht in der Lage, Krankheiten zu behandeln.“
Charaka–Samhita
Die Aufgabe des Arztes
In den alten Schriften wird von dem Ayurveda-Arzt Jivaka berichtet, der gemeinsam mit seinen Mitstudenten am Ende seiner Ausbildung in die Natur gesandt wird, um alles zu sammeln, was ohne Heilwirkung ist. Alle anderen Schüler kamen nach einiger Zeit zurück und zeigten ihrem Meister ihre Funde. Nur Jivaka blieb einige Tage länger weg und kam mit leeren Händen. Er wurde von seinem Meister als Bester unter den Schülern ausgezeichnet; denn aus ayurvedischer Sicht gibt es nichts, das nicht eine Heilwirkung besitzt.
Die erste Aufgabe des Ayurveda Vaidya ist, zu verstehe, dass in Wirklichkeit alles einen Einfluss auf die Gesundheit hat oder Heilwirkung haben kann und es nur darauf ankommt, inwieweit es gelingt den inneren Arzt des Patienten zu wecken. Ayurveda ist zuallererst eine nichtmaterielle Medizin. Bevor über eine Heilmitttel auch nur nachgedacht wird, werden das spirituelle und geistige Leben, das Verhalten das Essen die Gewohnheiten und das soziale Umfeld eingehend betrachtet. Daher ist es von zentraler Bedeutung, dass der Vaidya seine Persönlichkeit stärkt, seinen Verstand schärft und mit seiner Empathie in das Wesen des Patienten eindringt.
Seine innere Fackel zu pflegen und zum Leuchten zu bringen ist der einzige Weg, um sein Potential als Mediziner voll auszuschöpfen.
Ayurveda ist das älteste bekannte medizinische System, mit tausenden von medizinischen Konzepten und Hypothesen, und tausenden Seiten nicht übersetzter Literatur in einigen Spezialgebieten.
In Indien können Ayurveda-Mediziner viele chronische Krankheiten wie Diabetes, Arthritis und Asthma erfolgreich behandeln.
Das Wissen, dass sich im Ayurveda sammelt, schöpft sich möglicherweise aus einem Zeitalter, in dem der seit Jahrtausenden versiegte Fluss Saraswati noch als großer Strom bis ans Meer floss und große Städte, die heute bis zu 60 Metern unter dem Meeresspiegel liegen, also zur Zeit der letzten großen Eiszeit, bestanden hatten. Aus den Texten ließe sich dies ableiten.
Vieles deutet auch darauf hin, dass Ayurveda eine absichtliche und freiwillige Reduktion und Konzentration der gesamten Heilwissenschaft auf die Ressourcen ist, die ein Vaidya; ein Kundiger, in seiner unmittelbaren Umgebung ohne Hilfe von außen zur Verfügung hat.
Diese radikale Einschränkung auf die Essenz verleitet bei oberflächlicher oder unzureichend wohlwollender Betrachtung missverständlich für einen Mangel oder gar Primitivität gehalten werden. Gerade diese Reduktion aufs Wesentliche lässt Ayurveda auf einzigartige Weise aus der Zeit heraustreten und frei von äußeren Limitierungen für die Menschheit überall auf der Welt zur Verfügung stehen.
Forschung
Dieses kostbare Kulturerbe der Menschheit entspricht nicht in allen Facetten den Vorstellungen des heute modernen Musters der wissenschaftlichen Validierung.
In aktuellen klinischen Studien an Ayurveda Universitäten kann bei Untersuchungen zu Pathogenese methodisch parallel zu „westlichen“ Medizin gearbeitet werden.
Bei Untersuchungen zu Präparaten und Wirkmechanismen treten jedoch grundlegende Unterschiede zu Tage, die einee Zulassung von milliardenfach erprobten traditionellen Mitteln entgegenwirken.
Erstes Hemmnis ist die grundlegend verschiedene Theorie zur Gewebsentstehung und der damit verbundene Einfluss von Essen, Verhalten und Ausscheidung sowie geistiger und seelischer Aktivität auf den materiellen Körper, bis in die kleinste Zelle.
Diese Grundannahme, dass sich der Körper über die Aktivität des agni, des metabolischen Prinzips, die Gewebsqualitäten durch Umwandlung nacheinander aus dem Aufgenommenen aufbaut, solange es ausreichend vielfältig und natürliche Nahrungsmittel sind, steht am Anfang des Lebensverständnisses.
Sollte jemand unter Anämie leiden würde nicht damit abgeschlossen werden, eisenhaltige Präparate zu verabreichen, sondern zu analysieren, an welcher Stelle die Umwandlungen unzureichend war, und welche voranliegenden strukturellen Komponenten durch eine Über- oder Unteraktivität beteiligt sind und diese ausgleichen. Würde dies nicht geschehen, würde nur die Symptomatik unterdrückt. Die vorsymptomatischen Ursachen würden weder gefunden noch beseitigt und es würden durch dieselbe Ursache, anstelle der Anämie, andere Krankheiten entstehen um dieses Missverhältnis im Umwandlungsprozess aufzuzeigen.
Die Forschung der „westlichen“ Medizin nach Ursachen, hat aus der Sicht des Ayurveda vaidya einen eher materiellen, oder organhaften Blick auf die Ätiologie
Daraus ergibt sich für Ayurveda das Dilemma, zu einer ausreichend vergleichbaren Versuchsgruppe zu kommen, da Ätiologie wesentlich stärker bei der Auswahl gewichtet wird, als nur einige ausgewählte Faktoren, wie Symptom, Geschlecht und Alter…
Geht es nun um die Zulassungen eines altbewährten Präparates in der westlichen Gesellschaft, ist es nicht so einfach, für den Ayurveda mit seiner eigenen disziplinierten Ätiopathogenese gegen eine Symptom- oder Krankheitszentrierte wissenschaftliche Methode verglichen zu werden.
Ungeachtet dessen, dass dieses Präparat seit tausenden Jahren bei Milliarden Menschen erfolgreich wirkt.
Das “westliche” Studiendesign mit seiner materiellen Betrachtungsweise der Heilwirkung macht nur dann Sinn, wenn ein Wirkstoff oder ein Verfahren gegen ein Symptom oder ein Krankheitsbild untersucht wird.
Was aber, wenn ein und dasselbe Krankheitsbild eine Unzahl an möglichen Auslösern haben kann, diese Momentaufnahme also nicht für die Krankheits-Entstehung repräsentativ ist und noch weniger für den einzelnen Menschen? Was, wenn ein Symptom eher zufällig der einzige gemeinsame Nenner in der Versuchsgruppe ist? Aus ayurvedischer, nichtmaterieller Betrachtung des gesamten Menschen wird natürlich das Symptom auch sehr ernst genommen, aber der Mensch und die Individualität der Pathogenese bleiben stets im Zentrum.
Nichtsdestotrotz bemühen sich ayurvedische Universitäten weltweit darum, evidenzbasierte Forschung nachzutragen, um das Jahrtausende alte empirisch gewonnene Wissen in aktuelle Forschungsmodelle einzufügen, um Ayurveda weltweit eine angemessene Anerkennung zu verschaffen und erprobte natürliche Präparate zugängig zu machen.
An dieser Stelle sei mir Erlaubt, meinen Ayurveda Guru, Prof. S.N. Gupta zu zitieren; ‘Kurkuma wirkt nicht wegen Kurkumin, sondern wegen Kurkuma und es wirkt auf jeden anders!’
MD Shive Narain Gupta ist Professur für Ayurveda, leitender Chefarzt des Patel Ayurveda Hospital in Naidad, Indien und ist Autor, des im Thime Verlag publizierten, Standartwerkes über Ayrveda-Medizin in Deutschland. (ISBN 978-3-13-242198-1).
Ayurveda ist nach eigener Definition eine ganzheitliche, umfassende Gesundheitsversorgung. Ayurveda ist die Wissenschaft von Leben, Gesundheit, Vitalität und Glück bis ins hohe Alter.
In Indien gibt es mehr als 700 000 Ayurveda Mediziner.
Mehr als 250 anerkannte Universitäten lehren systematisch ayurvedische Medizin, und in den angeschlossenen Kliniken wird Ayurveda als alleinige Behandlungsmethode praktiziert, gelehrt und vom Staat gefördert.
Die ersten belegbaren Quellen von Ayurveda gehen auf die Zeit bis 5.000 vor unserer Zeit zurück.
Das bislang älteste, vollständig erhaltene, schriftliche Kompendium ist von ca. 600 v. Chr. und wird dem gelehrten Charaka zugeschrieben. Lange davor wurde das Wissen mündlich, durch Auswendiglernen der slokas weitergegebenen. Die Charaka Samhita gilt bis heute als das zentrale Werk des klassischen Ayurveda.
Dazu mehr bei Geschichte.
Individuelle Therapie seit Jahrtausenden für die Gesundheitsentstehung
„Wer als Kenner Aller (medizinischen) Prinzipien, nicht mit dem Licht seines Wissens und Intellekts in das innerste Wesen des Patienten eindringt, der heilt Krankheiten nicht.“
(Caraka-saṃhitā, Vi. IV.12).
Jeder Mensch hat eine andere Dosha Konstitution, Prakriti, und einen anderen gegenwärtigen Zustand, Vikriti. Diesem Umstand wird in Ayurveda von Anfang an Rechnung getragen.
Balance
Um etwas tiefer in den gesamtheitlichen Ansatz des Ayurveda einzutauchen, ist eine Betrachtung der umgebenden Faktoren hilfreich. Balance ist nicht einfach die Mitte von zwei gleichgroßen Teilen, so trivial ist der Zustand von Gesundheit oder Gesundheitsentstehung nicht zu beschreiben.
Es gilt vielmehr die drei „gunas“; „rajas“, die Aktivität, das Statische „tamas“ und das alles ordnende Prinzip „sattva“ mit allen auf den Menschen wirkenden Kräften. Das gesamte Spektrum persönlicher, sozialer, kosmischer Einflüsse will so ausgeglichen werden, so dass der Mensch in Harmonie bleibt mit allem das in ihm und um ihm ist.
Dazu hat noch jedes Alter seine spezifische Zeitqualität der doshas und folgt dem Rhythmus der Ur-Natur. Wie eine Sonnenblume, die in ihrer Jugend wächst, ihre Samen nach den Regeln des goldenen Verhältnisses ordnet und in der Phase des Reifwerdens das Licht der Sonne durch stete Neuausrichtung aufnimmt. Wir sind unendlich komplexer strukturiert als eine Pflanze, aber wir sind genauso in die Rhythmen der Natur eingebunden und versuchen durch Ausrichtung Ordnung in unser Leben zu bringen. Ayurveda untersucht seit alters her diese Ordnungsprinzipien und hilft die Balance nach dem universellen Gesetz der Harmonielehre zu balancieren.
Mehr beim Goldenen Schnitt.
Der klassische Ayurveda bemüht sich, jedem Menschen genau die Therapien und Lebens- und Verhaltensempfehlungen, die dem Wiederherstellen der Balance helfen zu geben. Dadurch wird dem Aufsteigen der Selbstheilungskräfte des Menschen, gemäß der Lebenssituation, den Beschwerden und dem Alter am besten gedient.
Auch wenn sich die Symptome oft ähneln, sind die Ursachen und Verläufe jedes Mal einzigartig und werden von so vielen äußeren und inneren Faktoren mitgelenkt, dass im Ayurveda immer nur eine ganzheitliche Menschenbehandlung und nicht eine Krankheitsbehandlung vorgenommen wird.
Gesundheitsentstehen vs. Pathogenese – Krankheitsentstehung
Im ayurveda wird den Regeln der Gesundheitsentstehung mehr Aufmerksamkeit geschenkt als der Krankheitsentstehung, der Pathogenese.
„Jede Therapie, die nur die Symptome behandelt ist keine ausreichende Therapie. Die beste Behandlung ist diejenige, die wieder die natürliche Balance und Ordnung herstellt und keine anderen Dysbalancen hervorruft“ (Caraka-samhitā)
Seit den 1980igern gibt es auch in der “westlichen” Medizin eine, diese Grundthese unterstützende Strömung.
Salutogenese - Gesundheitsentstehung vs. Pathogenese – Krankheitsentstehung
Ayurveda ist durchwoben von Grundprinzip des Gesundheitsentstehens und damit trotz seiner Jahrtausendealten Tradition erstaunlich zeitgemäß: Patienten-Selbstermächtigung und -Selbstwirksamkeit stehen immer schon im Zentrum. Ayurveda betrachtet den ganzen Menschen, die Anlagen (Konstitutionsbestimmung), die Gewohnheiten, das soziale Umfeld, die günstige oder ungünstige Verwendung des Geistes, seelische Aspekte, nicht bekannte Einflüsse und „nicht erklärliche Einflüsse“ in den individuumsbezogenen Therapieansatz.
Dies ist erst in den 80ern von Dr. Antonovsky erstmals durch das Postulat der „salutogenetischen Grundprinzipien“ in der “westlichen” Medizin aufgetreten.
Nach dem Salutogenese-Modell ist Gesundheit nicht als Zustand, sondern als dynamischer Prozess zu verstehen.
Ayurveda sieht von alters her die Gesundheit als einen dynamischen Prozess und nicht als einen statischen Zustand
Jeder hat, gemäß seines individuellen doshas, einen natürlichen Idealzustand. Dieser Zustand wird als „Prakriti“ bezeichnet.
“Das, was wir Leben nennen, ist nichts anderes als die Verbindung von Geist, Seele und Körper (…)”
(CS I.42)
und “(Daher) können die Ursachen der Krankheiten sowohl im Körper als auch im seelischen Bereich liegen”
(CS I.55).
Alle Zustände, in denen der Mensch sich von der Gesundheit entfernt, unglücklich ist, oder sich seelische, geistige oder körperliche Krankheiten zeigen, sind auf eine Dysbalance der doshas zurückzuführen. Je nach Schwere und Dauer dieses Ungleichgewichts entsteht ein dynamischer Prozess der Nicht-Gesundheit, den viele unterschiedliche Faktoren beeinflussen können. Dies bezeichnet man im Ayurveda als Vikrithi, einen Übergangszustand.
Alleine die Bezeichnung „Übergangszustand“ verrät bereits die Perspektive des Ayurveda Mediziners. Wenn der Weg zurück zur Prakriti eingeschlagen wurde und sich die Synchronizität wieder stärker auswirkt, beginnen Körper, Geist und Seele in die Vibrationen der Ur-Natur einzuschwingen und das Heilen beginnt aus sich heraus von selbst.
Symptome
Neben dem Hauptziel der Gesundheitserhaltung werden natürlich auch den Symptomen und der Diagnose im klassischen Ayurveda gebührend Aufmerksamkeit geschenkt.
Vikṛtitaḥ – gemäß der Pathologie
- hetu – Stärke der Ursache
- doṣa – Stärke der involvierten doṣas
- dūṣya – Stärke / Ähnlichkeit involvierte dūṣyas / doṣas
- prakṛti – Übereinstimmung prakṛti / involvierte doṣas
- deśa – Einfluss geographischer Faktoren
- kāla – Einfluss zeitlicher Faktoren
Ergibt bala: Gesamtkraft der vikriti
Vikrithi entsteht nicht einfach. Der ungeeignete Gebrauch von Körper Geist und Seele, die Dysbalance in den Doshas, entwickelt sich langsam und voranschreitend über eine längere Zeit. Die Beeinflussung durch die Psyche bei der Entstehung von Krankheit wird in Ayurveda seit Jahrtausenden berücksichtigt.
In der ayurvedischen Medizin werden sechs Stadien, die jeder ungeeignete Gebrauch von Körper Geist und Seele durchläuft unterschieden und idealerweise so früh wie möglich korrigiert.
Je später man sich mit seinen aus der Balance geratenen doshas auseinandersetzt; Je mehr der Gesundheitsbereich schon verlassen wurde, desto stärker sind die Auswirkungen und Symptome und desto aufwändiger und vielleicht langwieriger ist der Weg zurück in den Zustand der Ur-Gesundheit und Balance.
Präventive ayurvedische Check-ups, bei denen bereits vor der ersten spürbaren Dysbalance gegengesteuert werden kann, sind heute die Ausnahme, galten aber seit der Frühzeit des Ayurveda das Ideal zur Gesundheitserhaltung.
Auch wurde die Empfängnis eines Kindes mit einer umfassenden Reinigung beider
zukünftiger Eltern vorbereitet und begleitet, um dem Kind ideale Grundlagen und Versorgung mit auf seinem Weg zu geben.
Vertrauen in seinen Arzt und die Bereitschaft des Patienten zur aktiven Auseinandersetzung mit sich selbst und der gerade empfunden Vikrithi, dem Zwischenzustand, sind in Ayurveda seit je her die Basis einer jeden erfolgreichen Behandlung.
„… mag Vater, Mutter, Söhnen, Kindern und Freunden misstrauen, doch dem Heiler (vaidya) öffnet er sich selbst ganz, ohne diesen anzuzweifeln“
(Suśruta-saṃhitā, Sū. XXV.43)
Das richtige Verhalten; Raja Yoga, und das Richtige Leben, eine günstige Verwendung des Geistes und die richtige dosha-gerechte Ernährung sind der Königsweg und können nicht durch Einnahme von Pillen oder Kräutern ersetzt werden. Präparate und Anwendungen können immer nur nützliche Begleiter auf dem Weg sein.
„Moderne“, bronzezeitliche Wissenschaftstheorie
Das klassisch indische Medizinsystem stützt sich auf Jahrtausendelange empirische Erfahrung. Um in den Kanon der offiziellen Behandlungen aufgenommen zu werden wurde noch in der zu Ende gehenden Bronzezeit ein sensationell modernes wissenschaftstheoretisches Postulat niedergeschrieben:
Nur wenn mehrere vaidya (Weisen) bei einer Vielzahl von Patienten über einen langen Zeitraum ein immer wiederkehrendes Ergebnis beobachten kann man von einer empfehlenswerten Behandlung sprechen.
(Charaka Samhita)
Ayurveda-Medizin geht weit über Wohlfühl-Behandlungen hinaus.
Ayurveda ist ein sehr umfangreiches System des traditionellen indischen Gesundheitswesens und viele der vedischen Techniken haben in unsere alternativen Heilmethoden Eingang gefunden.
Die Atem-Therapie Pranayama, Klangtherapie, Farbtherapie, Therapien mit ätherischen Ölen, verschiedenste Yoga und viele Ernährungstrends und Öl-Anwendungen, Pulsdiagnose, Zungendiagnose…. um nur einige zu nennen, haben sich, als teils eigenständige Behandlungsformen im breiten Spektrum der Humanenergetik etabliert, stammen aber aus den vielfältigen Varianten der ayurvedisch-medizinischen Behandlungen.
Im klassischen nordindischen Ayurveda herrscht Konsens darüber, dass Ayurveda vorwiegend eine nicht-materielle Medizin ist, bei der alle Aspekte und Umstände des Lebens eines Patienten miteinbezogen werden. Behandlungen und Präparate dienen zur Begleitung einer gesamtheitlichen Therapie, wo sie nützlich sind und eingesetzt werden können. Einzelne Behandlungen oder Diagnoseform stehen bei Ayurveda jedoch nicht im Vordergrund und steht schon gar nicht alleine da.
Wie entstehen Beschwerden?
Im ayurvedischen Sinne liegt der Ursprung der Krankheit in einer Unausgewogenheit der Doshas. Die Doshas sind die drei allesbegründenden Lebenskräfte, die die seelischen geistigen und körperlichen Aspekte umfassen.
Vata– das dynamische Prinzip der Bewegung
Pitta – das transformierende Prinzip des Stoffwechsels
Kapha – das Festigkeit Halt und Substanz gebende Prinzip
Eine ungeeignete Verwendung des Geistes oder des Körpers oder eine vernachlässigte Seele bringen die doshas aus ihrem natürlichen harmonischen Zustand.
Die doshas werden immer wieder versuchen von selbst in den richtigen Balancezustand zurückzukehren, wenn aber unser Tun, Denken oder Empfinden stetig in eine ungünstige Richtung gehen, werden sich langfristig daraus Störungen manifestieren.
Die ayurvedische Medizin kann durch ein tiefes Verständnis der fundamentalen Prinzipien die ursprüngliche Balance der drei doshas herausfinden und geeignete Maßnahmen vorschlagen, um die Balance von Vata, Pitta und Kapha, gemäß der individuellen Konstitution wieder zu erlangen.
Nidana - Die klassische ayurvedische Diagnose
„Identifizierung der Natur und Ursachen einer Krankheit in all ihren Komponenten“
Caraka
Die Erste Unterscheidung teilt sich in:
- Rogi Pariksa, Untersuchung des Patienten und
- Roga Pariksa, Untersuchung der Krankheit.
Tri-vidha-parīkṣā - dreifältige Untersuchung
- pratyakṣa – direkte Wahrnehmung
- anumāna – logische Schlussfolgerung
- āptopadeśa – Informationen / Lehren aus authentischen Quellen
(Caraka-saṃhitā, Vi. IV.3)
„Wer jedoch kundig ist in der (diagnostischen)Unterscheidung der Krankheiten, sachkundig in allen Heilmitteln und vertraut mit dem richtigen Maß von Ort (deśa) und Zeit (kāla), dem (wird in der Therapie) zweifellos Erfolg (zuteilwerden).“
(Caraka-saṃhitā, Sū., XX.22)
ṣaḍ-vidha-parīkṣā – die sechsfältige Untersuchung
- Praśna – Riechen
- darśana – Schmecken
- sparśana – Hören
- śravaṇa – Tasten
- ghrāṇa – Sehen
- rasana – Schmecken (aus Beschreibung des Patienten)
daśa-vidha-parīkṣā – zehnfältige Untersuchung
- prakṛtitaḥ – gemäß der Konstitution
- pramāṇataḥ – gemäß der Körpermaße
- sārataḥ – gemäß der Exzellenz der dhātus, (Körpergewebe)
- saṃhananataḥ – gemäß der Kompaktheit
- sātmyataḥ – gemäß der Verträglichkeit
- sattvataḥ – gemäß (der Kraft) des Geistes
- āhāra-śaktitaḥ – gemäß der Kraft für Nahrung
- vyāyāma-śaktitaḥ – gemäß der körperlichen Belastbarkeit
- vayastaḥ – gemäß des Alters
Und erst an letzter Stelle:
- vikṛtitaḥ – gemäß der Störung
Klassische Ayurveda-Mediziner stützen ihre Beurteilung auf eine detaillierte Befragung zu allen Beschwerden und Lebensumständen, um den Entwicklungsweg von Verlassen der Gesundheit und die aktuellen Beschwerden zu verstehen.
Die Klassische Befragung beinhaltet acht verschiedene Themen:
aṣṭa-vidha-parīkṣā - achtfältige Untersuchung
- Nada – Pulsdiagnose
- Mala – Urin
- Mutra – Stuhlgang
- Jihva – Zungendiagnose
- Drk – Augen
- Sparsa – Tasten
- Sabda – Stimme
- Akrti – äußere Erscheinung
Die Ausprägung wie sie bei den aufgeführten Faktoren bestehen
- Ernährung (āhāra)
- Lebensweise (vihāra)
- Sitten/Gebräuche (ācāra)
- Kraft (bala)
- psychische Verfassung (sattva)
- Verträglichkeiten (sātmya)
- doṣa-Dominanz
- Vorlieben (bhakti)
- Krankheiten (vyādhi)
- Gesundheitsförderliches (hitam)
- Gesundheitsschädliches (ahitam)
pañca-nidāna - Fünffältige Untersuchung der Krankheit
- nidāna – Ursache (14 Klassifizierungen)
- pūrvarūpa – Vorsymptome
- rūpa – Symptom
- upaśaya – anupaśaya – Therapeutische Hinweise
- saṃprāpti – Pathogenese
(Caraka-saṃhitā, Ni. I.6)
Kriyakala
Bevor im Ayurveda nun mit der Behandlung begonnen werden kann, werden noch sechs Stadien der Krankheit, die kriyakala, genau unterschieden.
Bei der Entwicklung von Ungleichgewicht der drei Doshas bis hin zur manifestierten Krankheit mit irreparablen Schäden werden stets sechs Krankheitsstadien durchlaufen:
Samcaya– Akumulation
Prakopa– Aggravation
Prasara – Dissemination
Sthana-Samsraya – Relokation
Vyakti – Manifestation
Bheda – Disruption
Ayurveda wird in acht klassische medizinische Fachrichtungen geteilt.
In den ältesten Aufzeichnungen werden bereits die acht Spezialisierungen beschrieben, was darauf hindeutet, dass die Entwicklung zum Spezialistentum lange vor der Epoche des Schreibens sein Anfang genommen hat.
Alle acht Fachrichtungen zielen darauf ab, die Gesundheit der Menschen zu erhalten und Krankheiten zu heilen, sowie Seuchen einzudämmen, sowie Frieden in der Gemeinschaft zu stärken und den Menschen ein langes und glückliches Leben zu ermöglichen.
Alle acht Richtungen werden auch heute noch an den renommierten Universitäten in Indien, Sri Lanka, Pakistan u.v.m. gelehrt. Für den Betrachter von außen ist oft auf den ersten Blick nicht so klar zu unterscheiden, ob es ich um eine “westlich”-allopathische oder ayurvedische Klinik handelt, da selbstverständlich alle Errungenschaften der Hygiene und manche technischen Geräte auch im Ayurveda Alltag Einzug gefunden haben.
Ein klares Merkmal der Unterscheidung sind jedoch, dass beispielsweise spirituelle Aspekte in der Behandlung, wie überliefert, weiterhin gepflogen werden und manche Behandlungen auch heute noch traditionell mit Mantras begleitet werden. (Dazu mehr bei der Mythischen Perspektive, Yoga, und Philosophie).
- Kayacikitsa – Innere Medizin
Reinigungstechniken aufbauende Behandlungen, Ernährungs- und Verhaltensberatung und Pflanzenheilkunde.
- Balacikitsa – Kinderheilkunde
Schwangerschaftsbegleitung, Geburt und die ersten 1-2 Lebensjahre mit allen Aspekten
- Bhutavidya – Psychiatrie/Psychotherapie
Die Linderung und Heilung psychischer Störungen durch vorwiegend spirituelle, psychische und phytotherapeutische Methoden
- Salankajantra – Kopf und HNO:
Es gibt 72 beschriebene Krankheiten des Kopfes und eine Vielzahl an ganzheitlichen Heilverfahren
- Salyatantra – Chirurgie (600 v.Chr. susruta),
operative Verfahren bis hin zu Transplantationsmethoden
- Agadatntra – Toxikologie, Entgiftung und Ausleitverfahren
- Rasayana –Gesunderhaltung, Geriatrie, langes Leben
Verjüngungstherapien, Krankheitsverhütung, Ernährung zur Zellerneuerung und der Verbesserung der Kognitiven Fähigkeiten im Alter
- Vijikarana – Sexualheilkunde
Therapien zur Steigerung der sexuellen Vitalität, Potenz und Fruchtbarkeit sowohl bei Mann als auch bei der Frau
Die Gynäkologie ist je nach Beschwerden oder alter auf Kayacikitsa, Balacikitsa, Salyatantra, Rasayana und Vijikarana aufgeteilt.
Auch das Konzept der Prognose wird vor Jahrtausenden bereits recht detailliert vorweggenommen.
Sādhyāsādhyatā - Prognose
sādhya
sukha-sādhya – leicht heilbar (11 Kategorien)
kṛcchra-sādhya – schwer heilbar (12 Kategorien)
asādhya
yāpya – unheilbar, aber kontrollierbar (6 Kategorien)
pratyākhyeya – nicht therapierbar (7 Kategorien)
(Caraka-saṃhitā, Sū., X.9-10)
“Yastu rogaviśeṣajñaḥ sarvabhaiṣajyakovidaḥ deśakālapramāṇajñastasya siddhirasaṃśayam”.
„Wer jedoch kundig ist in der Unterscheidung der Krankheiten, sachkundig in allen Heilmitteln und vertraut
mit dem richtigen Maß von Ort (deśa) und Zeit (kāla), dem in der Behandlung zweifellos Erfolg zuteil werden.“
(Caraka-saṃhitā, Sū., XX.22)
Ayurveda in Europa
Die traditionelle Indische Medizin beruht auf einem ganzheitlichen, alles umfassenden Verständnis „des Gesund Werdens“ und des harmonischen Gleichgewichts in allen Aspekten des Lebens.
- In Indien und seinen Nachbarländern ist Ayurveda die quantitativ wichtigere Medizin; die “westliche” Medizin ist rechtlich gleichgestellt und staatlich anerkannt.
- Rund 2 Milliarden Menschen vertrauen in Gesundheitsfragen der Jahrtausende alten vedischen Medizin.
- Ayurveda ist von der Weltgesundheitsorganisation als medizinische Wissenschaft anerkannt und unterscheidet sich in der Praxis oft nicht so sehr von der westlichen Medizin.
Vergleichen wir die Definition der WHO, 1946
“Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.”
WHO 1946
Mit der Definition vom klassischen Ayurveda, niedergeschrieben 600 v.Chr.
“Derjenige, dessen Funktionen von doshas (Bioenergien), agnis (Verdauungsfeuern), dhatus (Gewebe) und malas (Ausscheidungsprodukte) im Gleichgewicht sind, und der in Selbst, Geist und Sinnen fröhlich ist, der ist gesund.”
Sushruta Samhita Sutrasthana, 15
Die Schweiz erkennt Ayurveda Medizin als erstes Europäisches Land an und Leistungen der Ayurveda Mediziner können mit den Krankenkassen verrechnet werden.
Für eine weiter Verbreitung in Europa sind sicher noch viele Fragen zu klären:
Wie wird eine traditionelle Medizin, der ungefähr die vierfache Bevölkerung Europas, ihre Gesundheitsversorgung anvertrauen in Zukunft in Europa verortet?
Eine Definition guter ayurvedischer Praxis und deren Qualitätssicherung sind für alle Beteiligten von zentraler Bedeutung.
Bestrebungen dazu sind zumindest in Deutschland und Großbritannien deutlich erkennbar, so gibt es zum Beispiel: Eine Forschungsplattform der Stiftungsprofessur für klinische Naturheilkunde der Charité − Universitätsmedizin Berlin.
Hierzu findet zusätzlich zur deutschlandweiten Forschungsvernetzung auch ein direkter Austausch mit renommierten indischen Ayurveda-Universitäten, dem speziell für Ayurveda zuständigen Department am indischen Gesundheitsministerium sowie innovativen Projekten, wie der wissenschaftlichen Online-Ayurveda-Datenbank DHARA, statt.
In Österreich ist der Beruf “Ayurveda-Wohlfühl-PraktikerIn” als seit 2006 gewerberechtlich geschützt. Voraussetzung ist eine dreijährige Ausbildung. Primär ist die Ausbildung der Ayurveda-Wohlfühlpraktik als Massageberuf verstanden und konzentriert sich auf ayurvedische Manualtherapie, nach der Kerala Ayurveda Tradition; ein kleiner Teilaspekt dessen, was das gesamte umfassende vedische Gesundheits-Konzept ausmacht.
https://www.berufsverbandayurveda.at
Dadurch entsteht besonders in Österreich zusätzlicher Aufklärungsbedarf bei der richtigen Positionierung von Ayurveda. Es bedarf einer klaren Unterscheidung zwischen Ayurveda-Wohlfühlpraktik und Ayurveda-Medizin.
Die Verbreitung der Ayurveda-Wohlfühlpraktik ist für viele Menschen ein erster Schritt zur inneren Balance und ist weitgehend positiv besetzt. Ayurveda Medizin kann aber wesentlich mehr als Wellness bieten.
Medizin vs „Alternative Medizin“, ein Plädoyer
Wer es bisher geschafft hat, hat vielleicht auch Geduld und Verständnis für eine kritische Betrachtung der Beziehung zwischen Ayurveda Vaidya´s und Ärzten “westlicher” Medizin. Zahllose Beispiele in vielen Gebieten aus der Vergangenheit lehren uns, dass Monopole und Machtanhäufungen tendenziell eher zu einer Verengung als zu einer Qualitätssteigerung neigen.
Ärzte aller Traditionen nehmen eine große Last auf sich, um andern Menschen zu helfen.
Es ist leider in der „alternativen Szene“ vielfach zur Mode geworden über die Ärzteschaft teilweise mit großer Aggression herzuziehen. Kein Mensch im Heilberuf hat diese Behandlung verdient.
Gerade die Ärzte sehen sich Druck von verschiedenen Interessengruppen und immer herausfordernderen Patienten ausgesetzt. Die Patienten sind manchmal durch unseriöse Berater „aufgeladen“ und haben oft extrem fordernde Erwartungen auf eine Sofort-Heilung.
Fünf starke Interessengruppen bewegen sich im Umfeld der Ärzte und trachten danach, auf diese einzuwirken.
Die wesentlichen fünf Interessengruppen:
- die Juridische Fraktion, eine Gruppe die dafür sorgt, dass exakte Prozedere in jedem Fall eingehalten werden müssen, um die Ärzteschaft vor Klage, Haftung und Verantwortung zu bewahren oder im schlimmsten Fall entgeltlich vor Gericht zu vertreten. Vertreter derselben Interessens-Gruppe sind es, die Betroffene und Angehörige bei eventuellen Schadenersatzansprüchen entgeltlich vertreten; manchmal auch zu Schadenersatzansprüchen motivieren. Zudem kommen noch internationale Patentverfahren und aufwändige Zulassungsverfahren und alle damit einhergehenden Kosten.
- Um all dies zu ermöglichen braucht es eine Sparte in der Versicherungswirtschaft, die sowohl die Ärzteschaft und Gesundheitseinrichtungen durch Haftpflichtversicherungen auf der einen Seite und über Rechtsschutzversicherungen die Betroffenen auf der anderen Seite über monatliche Beiträge vor wirtschaftlichem Schaden bewahrt. Alle werden dabei monatlich ein wenig chronisch entreichert um diese Industrie und ihre Aktionäre zu versorgen.
- Die chemisch-pharmazeutische Industrie; deren Errungenschaften kommen oft durch den Kauf und Weiterverkauf von kleinen innovativen Start-ups. Den Prozess kann man sich so vorstellen, dass einer kleinen Gruppe von ambitionierten Forschern eine Entdeckung gelingt, für deren Umsetzung die eigenen Ressourcen nicht ausreichen. Um diese Entdeckung weiter voranzutreiben ist Kapital nötig, das gern von Venture Kapitalgesellschaften gegen Beteiligung zur Verfügung gestellt wird. Nach der Start Up-Phase kommt die Seed-Phase und dann wird ein Erfolg versprechendes Unternehmen gerne um den 10fachen Einkaufspreis an die Kaskade der Middle-Investoren weitergegeben; dieses um jeweils die 5-6 anderen Investments, aus denen nichts geworden ist, zu kompensieren. Das kann 3 bis 6mal so gehen, bis endlich Big Pharma oft mehrere Milliarden für das Unternehmen/Patent bezahlt. Tatsächlich hat Big-Pharma diese Milliardensummen auch ausgegeben und will sie verständlicherweise auch wieder zurückverdienen, durch Patentförderungen und staatlichen Schutz. In diesem Prozess entsteht wertvolle Innovation, doch werden unterwegs unverhältnismäßig hoch Jene belohnt, die Nichts entwickelt haben, sondern nur Kapital bereitgestellt haben. Teilweise ist dies im Sinne einer Risikoabgeltung auch gerechtfertigt, hat aber unverhältnismäßig.
- Die diagnostische- und therapeutische- Geräte-Industrie funktioniert teilweise wie die chemische und -pharmazeutische Industrie, aber in abgemilderter Form. Dafür gibt es den Hardware Faktor, mit Serviceverträgen, Schulungen und Updates dazu.
- Die Gesundheitsbürokratie, das staatliche Versorgungs- und Versicherungswesen, das alles regelt und organisiert. Ohne die Wirkung dieser Gruppe hätten sich die anderen Profiteure nie zu solcher Größe aufblähen können. Die Politik hat ein großes Interesse daran, Arbeitsplätze in diesen Schlüsselindustrien zu fördern. Große bürokratische Systeme haben für sich selbst ein eher unterentwickeltes Interesse an Sparsamkeit und Effizienz. Diese Gruppe möchte alles Regulieren und Überprüfen, folgt dabei aber einer eigenen und nicht immer nachvollziehbaren Logik. Zum Beispiel lassen die Regulierungsbehörden zu, dass Ferrocyanide ins Speisesalz beigemengt werden, da ja „valide wissenschaftliche Studien“ keine negativen Folgen gezeigt haben. Dienen die Behörden und Regulatoren wirklich den Menschen oder irgendwie über den Umweg über Lobbyisten doch tendenziell eher den zahlungskräftigen Industrien? Welches Licht wirft ein solches Zulassungs-Verhalten und Zulassungs-Verlängern von anerkannt schädlichen Stoffen und Produkten auf die generelle Seriosität und Objektivität unserer „Zulasser“? Ist es ein Zeichen von Integrität, sich hinter dieser Gruppe zu verschanzen und mit dem Finger auf alles Nicht-Zugelassenes zu zeigen, ungeachtet dessen, wie bewährt es ist?
Was ist das Ziel, das wir mit unserem wissenschaftstheoretischen Verständnis erreichen wollten? Wie bewerten wir ein Präparat, das empirisch millionenfach erprobt und von heute rund 700.000 ayurvedischen Ärzten in Indien, auf täglicher Basis über mehrere Jahrtausende eingesetzt wurde. Kann es nur dann als „Sicher“ gelten, wenn die „Ferrocyanide-Zulasser“ dies nach einer Millioneninvestition im standardisierten Zulassungsprozess und einer Studie mit 300 Personen nach neusten wissenschaftstheoretischen akademischen Erkenntnissen in einem statistisch signifikanten Ergebnis erneut nachgewiesen wurde?
Will sich Ayurveda Studien verwehren? Nein, natürlich nicht; Da gibt es sicher noch viel zu tun. Es gibt auch jetzt schon eine großartige Studienlage, diese müssten nur in den “westlichen” Fachmagazinen, den Hütern des Wissens, berücksichtigt werden.
"Quo vadite, litterae?"
Der 5(+) Bereich, der auf die Medizinische Wissenschaft mit seinem mächtigen Gewicht einwirkt:
Die wissenschaftliche Bedeutung kann nur noch über einige wenige Fach-Publikationen, in Händen noch wenigerer Verlage, im Konstrukt des „Peer review“ Verfahrens mitgeteilt werden. Nur dadurch, dass dieser kleine Kreis Auserwählter „Gefallen“ an der eingereichten Arbeit findet und deren Richtigkeit bestätigt, wird man zur Kenntnis genommen und erlangt die begehrten „Impact Points“. Diese sind für die weitere akademische Karriere unumgänglich. Manche dieser Verlage haben auch Fach-Publikationen im Bereich der Pharmazie, der Chemie oder anderer mächtiger Industrien.
Gemeinsam ist allen fünf(+) Bereichen, dass sie, bei Erreichung ihres eigenen „Business-Modelles“ treue Partner suchen und brauchen, die sich idealerweise ein Leben ohne die Segnungen dieser, durch Lobbisten vertretenen Interessen-Gruppen gar nicht mehr vorstellen wollen oder können.
Bei all diesen Betrachtungen wird immer der Konsumentenschutz, der Patientenschutz und das Patientenwohl als edles Banner, hoch und weit sichtbar, vorne hergetragen, aber weder die Ärzteschaft noch die Patienten scheinen zu wertzuschätzen, dass all dieses „Edle“ nur zu ihrem hehren Vorteil geschieht.
Vielleicht wäre es für viele Ärzte durchaus attraktiv und befruchtend, mit Kollegen aus dem alternativen Spektrum enger zusammenzuarbeiten. Alleine der Umstand, dass so viele Ärzte sich selbst auf eigene Kosten in einer älternativen Technik aus – und weiterbilden, lässt vermuten, dass es nicht am Menschen Arzt, sondern eher am „System selber“ liegen könnte.
Das ambivalente Verhältnis der großen Industrie mit der alternativen Medizin
„Follow the Money“, In der Kriminalistik wird dieses Grundprinzip der Polizeiarbeit, bei der Aufklärung von Verbrechen angewandt. Auf unser Dilemma angewandt zeigt es das Problem sehr deutlich auf.
Ayurveda ist kapitalsparsam und materialarm, Es ist zu unabhängig von den Multi-Milliarden-Märkten der großen Industrien. Da fast ausschließlich mit natürlichen Ressourcen gearbeitet wird gibt es nicht viel zu holen.
Ist das fortschrittlichkeitsfeindlich? Ist es auch fortschrittsfeindlich, bei der Fortpflanzung die herkömmliche Methode weiterhin anwenden zu wollen und nicht nur noch auf die künstliche Befruchtung zu setzen, obwohl das doch auch „traditionell“ ist und wir das inzwischen doch technisch/medizinisch sehr gut kontrollieren können?
Ayurveda Medizin ist zeitintensiv.
Alleine das Erstgespräche dauert oft 2 Stunden und jedes Weitere 30-45 Minuten.
Die Vaidya´s müssen und können sich diese Zeit nehmen. Die steigende Neigung der Patienten zu Alternativ- Medizinern zeigt, dass der Faktor Zeit so wichtig ist, dass sie neben einer Pflichtversicherung bereit sind diese Leistungen aus der eigenen Tasche zu bezahlen.
Ayurveda würde dies auch den “westlichen” Ärzten wünschen und bei vielen unserer Kollegen, die Beides; Schulmediziner und Ayurveda Mediziner sind, ist dies einer der Motivatoren für die Doppeltätigkeit.
Alternativmediziner und insbesondere Ayurveda Vaidya´ sind für die großen Industrien nicht wirklich nützlich. Niemand kann bei ihnen groß mitverdienen. Sie sind schwer in eine Abhängigkeit bringen.
Was man aber sehr wohl kann, ist reglementieren, verbieten und einschränken. Lobbisten können einwirken, wo sie eben einwirken können.
Die Ärzte sind von uns herzlich eingeladen, nicht unreflektiert den Wünschen der mächtigen Interessensgruppen und fertige Argumentationen von deren Lobbisten nachzugeben und die Alternativ Medizin als Partner auf Augenhöhe wahrzunehmen.
Die Zukunft
Die Europäische Union ist sich der immer weiter expandierenden Kosten bei gleichzeitig wachsender Unzufriedenheit der Menschen im Gesundheitswesen und der Patienten bewusst. Es werden auf EU-Ebene immer wieder Vertreter der großen Alternativ-Medizin, TCM und Ayurveda zu Arbeitsgesprächen auf höchster Vertreterebene eingeladen. TCM und Ayurveda ist gemeinsam, dass die Kosten der Behandlungen nur einen Bruchteil ausmachen und durch Empirie über mehrere Jahrtausende hindurch eine große Kompetenz in der Gesunderhaltung und Krankheitsprävention aufgebaut und bewiesen wurde.
Auf höchster Ebene ist man sich durchaus Bewusst, dass unser Europäisches Gesundheitssystem in einer Finanzierungs- und Verengungssituation befindet.
Welchen Beitrag möchte Ayurveda anbieten?
Ein offener Dialog über das reiche empirischen Wissen der Alten könnte da oder dort die Gesundheitsversorgung gut ergänzen und befruchten.
Ein komplettes zusätzliches Medizinsystem zur erweiterten Differentialdiagnose bei noch ungeklärten Krankheiten. (Endometriose, Asthma, Hauterkrankungen…..)
Abschließende Betrachtung
Ayurveda ist nicht „indisch“, sondern „menschlich“ und alles was wir wissen, soll den Menschen aller Welt offenstehen. Die vaidyas wollen genau das, was sie aus den Samithas überliefert bekommen haben weiterhin tun, Ayurveda will niemandes Wissen stehlen, schon gar keine Patente anmelden, niemandem Verklagen, keine ethisch fragwürdigen Experimente machen, oder Technologien einsetzen, deren Langzeitfolgen von niemandem abgeschätzt werden können.
Und dort wo es sich ergibt, gerne mit anderen Experten auf Augenhöhe zusammenarbeiten, ohne Neid und Eitelkeit.
Sollten Sie selbst Mediziner/in sein, und traditionelle Medizin tendenziell kritisch betrachten, dann wäre es schön, wenn Sie diese Kritik unmittelbar und offen artikulieren.
Vielleicht ist in Zukunft auch ein freundschaftliches Nebeneinander möglich, in dem jeder das tut, was er am besten kann. Wir denken, dass das folgende Zitat von Charaka für beide medizinischen Traditionen Gültigkeit hat.
Doch ein Arzt, der Therapien beginnt, ohne die Krankheit erkannt/verstanden zu haben, dessen Erfolg (geschieht) durch Zufall, selbst wenn er kundig ist in der Methodik der Medizin“.
(Caraka-saṃhitā, Sū., XX.21)
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