Samkhya
Die philosophische Perspektive
Sāmkhya gilt als eines der ältesten philosophischen Denkmodelle weltweit. Wegen seines großen stiftenden Einflusses auf die gesamte Entwicklung der indischen Kultur zählt es zusammen mit dem Vedanta, der auch dem Samkhya viele Grundlagen verdankt, zu den entscheidenden Modellen des Denkens. Ayurveda entsteht und besteht in der Entwicklung teilweise parallel neben der Samkhya-Philosophie und baut spezialisiert auf diese auf.
Der Ursprung der Samkhya-Philosophie liegt verborgen in den Nebeln der Vorgeschichte, obwohl die indische Kultur mit ungebrochen 5000 Jahren die wahrscheinlich ältesten durgehenden Aufzeichnungen weltweit zu bieten hat.
Der mythische Weise Kapila, ein direkter Nachfahre von Manu, dem Urvater aller Menschen und Teilinkarnation von Vishnu, gilt nach der Tradition als Autor des verlorengegangenen Samkhya-Sutra, und gilt somit als Begründer von Samkhya.
Um den Geist der Samkhya zu respektieren wird hier nicht zu tief in den Kanon der Mythen eingestiegen, erstens da im Samkhya die Wahrheitsfindung selbst sehr genau und hierarchisch beschrieben wird und zweitens da der atheistische Grundgedanke der Samkhya berücksichtigt werden soll.
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Die universelle Bedeutung von Samkhya, für eine ganze, Jahrtausende alte Zivilisation wird jedoch klar, wenn wir beobachten, dass Samkhya in allen großen Epen wie dem Mahabharata, dem Ramayana, den Upanischaden, den Dharma Sastras und den alten Rechtsschriften, eingeflossen ist. Und auch die Sammlung Patanjali wird von vielen Gelehrten als ein niedergeschriebener Teil des Samkhya verstanden.
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Einführende Worte, um mit den Grundlagen der vedischen Weltsicht vertraut zu werden.
Viele philosophischen Reisen beginnen mit der Frage nach dem „Warum“
Die moderne Neuropsychologie erkennt zwei grundlegende Bedürfnisse an, die innige Verbundenheit und den Drang zur Entdeckung.
Beides ist bereits im Fötus angelegt. Vor allem die innige Verbundenheit, das völlige Gefühl der Einheit reicht bei kleinen Menschen sogar weit über die Geburt hinaus und erst langsam entdeckt das Kind das Ego, das „ich bin Bewusstsein“.
Gleichzeitig wird der Entdeckungsdrang immer größer, ist aber bereits im Mutterleib angelegt. Das Kind übt die Benutzung der Hände und Mimik. moderne Ultraschallaufnahmen können dies heute zweifelsfrei nachweisen.
Ein drittes Urbedürfnis fehlt meist in den westlichen Denkmodellen, das weder psychologisch noch sozial in unserer modernen Gesellschaft volle Anerkennung gefunden hat;
Das Bedürfnis zur Alleinheit, der Reflektion, des „in sich Ruhens“ und das „in Ruhe gelassen werden“.
Das kann durchaus daran liegen, dass kaum ein Mensch sich als völlig angenommen und verbunden fühlt und alleine deswegen gar nicht an die Alleinheit als Wert denkt. Aber ein Blick auf die älteste bekannte Philosophie der Menschheit zeigt uns, dass seit Jahrtausenden ein tiefes Verständnis für alle drei Urbedürfnisse im Universum angelegt ist.
Das sich zurückziehen können wurde leider auch bei der Formulierung der Menschrechte vergessen oder nicht klar genug artikuliert. Die Menschenrechte wurden von Mächtigen verhandelt und formuliert. Ein Recht auf „Bei sich selbst sein“ wurde in der Menschenrechtsformulierung von 1948 vergessen und wird von Artikel 1 an mit den Recht auf Würde so schwach formuliert, dass sich daraus kein klarer Anspruch des Einzelnen gegen den Staat ableiten lässt, auch von diesem in Ruhe gelassen zu werden.
Die Samkhya Philosophie erkennt dieses Ur-Recht, sich als stiller Beobachter aus dem Geschehen herauszuhalten als das erste und höchste Recht an, wenn es darum geht eine geistig- seelischen Entwicklung zu beschreiten.
Es fehlt in der westlichen Denktradition für den Begriff freier Wille oder Willensfreiheit eine allgemein anerkannte Definition. Man versteht Umgangssprachlich unter dem freien Willen etwas anderes als im philosophischen, psychologischem oder im juristischen Gebrauch.
Die Willensfreiheit kann nur als subjektiv empfundene menschliche Fähigkeit verstanden werden auszuwählen. Das Nichtwählen müssen wird selten als Option betrachtet.
In der indischen Gesellschaft ist es von alters her bis heute möglich aus der Gesellschaft hinauszutreten und einen Entwicklungsweg nach eigener Gestaltung zu beschreiten, ohne einer bestimmten anderen Gruppe gleichzeitig beizutreten zu müssen. Dies ist im christlich geprägten Europa historisch nur durch das, sich unterwerfende Eintreten in einen Orden möglich gewesen, um den Ansprüchen des Staates zu entgehen. Alle anderen Menschen bleiben Subjekte der Obrigkeit, mit eingeschränkten Rechten. Dies trägt dazu bei, dass die Dualität als eine unangefochtene Realität erkannt wird.
Es ist das stets wiederkehrende Muster des dualen Oben und Unten, Gut und Böse. Eine Folge der Involviertheit in die Dualität ist es, dass man sich während dieser Beschäftigung nicht gleichzeitig auf den Entwicklungsweg zu sich selbst macht. Der dritte Weg, das weder mit der Materie noch mit Aktion verbundene Bewusstsein des Beobachters wird durch die oszillierende Bewegung zwischen den Polen nur schwach entwickelt oder bleibt gar verborgen.
Die Jahrtausende alten Samkhya erkennt dieses immer wiederkehrende Dilemma und verharrt selbst in einem beschreibenden, einen aufzählenden Zustand. Sie ist eine atheistische Philosophie, die sich auch aus der rohen Dualität von Gut und Böse heraushält.
Die Samkhya-Philosophie, eine der sechs klassischen vedischen Konzepte, beschreibt den Schöpfungsprozess und die Reise in der sich das Bewusstsein in Manifestation wandelt.
Nasadiya Sukta
There was neither non-existence nor existence then;
Neither the realm of space, nor the sky which is beyond;
What stirred? Where? In whose protection?
There was neither death nor immortality then;
No distinguishing sign of night nor of day;
That One breathed, windless, by its own impulse;
Other than that there was nothing beyond.
Darkness there was at first, by darkness hidden;
Without distinctive marks, this all was water;
That which, becoming, by the void was covered;
That One by force of heat came into being;
Who really knows? Who will here proclaim it?
Whence was it produced? Whence is this creation?
Gods came afterwards, with the creation of this universe.
Who then knows whence it has arisen?
Whether God’s will created it, or whether He was mute;
Perhaps it formed itself, or perhaps it did not;
Only He who is its overseer in highest heaven knows,
Only He knows, or perhaps He does not know.
Rigveda 10.129
Avyakta अव्यक्त
In der Samkhya wird das reine, beobachtende Bewusstsein als erste und grundsätzlichste Daseinsform beschrieben.
Avyakta wird auch Brahma genannt, die Sanskrit Wurzel „Bra“ bedeutet Ausdehnung und Brahma ist folglich ein Attribut, ein guna von avyakta.
Avyakta ist die indeterminierte Form, das Unbestimmte, das Nicht- oder Vormanifestierte, der subtile Geist, solange Purusha und Prakriti in völliger Balance verharren.
Das unsichtbare, nicht aufdeckbare, unmerkliche, nicht manifestierte, all dies ist Avyakta.
Purusha
Aus Brahma entstehen Purusha, das unbegrenzte reine Bewusstsein, das als männliches Ur-Prinzip verstanden wird.
Purusha ist Unterscheidungs- und Unterschiedslos, reine Existenz, still und vorbehaltslos passiv.
Purusha das Urmännliche, die Urseele bleibt unberührt bei sich selbst. Und gleichzeitig existiert er als die Purusas, als die vielen Einzelseelen, der nichtmaterielle Teil des Menschen, der der Manifestation, der Körperlichkeit ausgesetzt sind.
Er ist nicht an der Manifestation beteiligt, sein Name ist sakin, das Bewusstsein, das zusieht.
Prakriti
Prakriti geht ebenfalls aus Avyakta oder Brahma hervor und wird als das Ur- weibliche Grundprinzip verstanden. Sie ist kreativer Wille, sie ist guna, Name, Form, Gestalt und Attribute von allem, das IST.
Prakriti ist „WERDEN“ während Purusha „SEIN“ bleibt!
Vor dem Schöpfungsevent sind Purusha und Prakruti in völligem Gleichgewicht. Wir blicken auf die Vor-Urknallzeit oder -Dimension.
Wenn sich diese Balance auflöst, unterscheiden sich Prakruti und Purusha immer stärker. Alle Erscheinungsformen der materiellen Welt entspringen dem Ende dieses Gleichgewichtes. Prakruti schafft durch Vibration eine Dehnung im Nichts; Diese Dehnung ist als eine Aufwölbung im Vormateriellen zu verstehen und somit für den Geist nicht einfach zu erfassen. Durch diese Aufwölbung des Willens entsteht der erste Ort, der Raum, in den die Manifestation erst hineingeboren werden kann. Alles ist bereitet für die gesamte Schöpfung, mit ihren Wellen in diesen Raum hinein zu explodieren. Der Raum, in dem der erste Klang erschallen kann ist aufgespannt.
AUM, OM
Purusa und Prakruti erfahren „Wir sind Eins“ Prakruti, das Ur-Weibliche will „Viele werden“
Sie beginnt zu vibrieren, zu schwingen und in dieser Schwingung klingt in der Namenlosen Vor-Existenz das erste Mal das „Wort“ AUM, der vormanifestierte Urklang von Allem, das je sein wird, in den Raum hinein. Es erklingt erstmals und klingt so lange weiter, bis alles wieder in den nichtmanifesten Zustand zurückgekehrt sein wird. Zwischen diesen beiden Zuständen baut sich alles was IST auf und schöpft sich aus dieser Energie.
Prakruti
Prakruti ist der „Schoß des Universums“ und gebärt aus ihren Schwingungen, ihrem unbändigen Willen zum „WERDEN“ in mehreren Wellen ein wunderbares Kind: die Manifestation von Allem, ein klingendes, leuchtendes, duftendes Universum der Fülle; allem, was wir einen Namen geben können.
Es sollte in der Europäischen Kultur bis zum frühen 20. Jahrhundert dauern, das wir ein ähnlich reifes Verständnis von Energie, Schwingung und Materie erlangen als in der Samkhya in grauer Vorzeit beschrieben wurde.
Wir verdanken Einstein das Verständnis von der Äquivalenz von Masse und Energie und Heisenberg der Beschreibung des Wellencharakters der Materie aufgrund seiner Definition der Unschärferelation. Heisenbergs Theorie gilt als wesentliche Grundlage der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik.
Mahat
Am Anfang der Schöpfungsgeburt, noch vormateriell ist Mahat; die höchst kosmische universelle Intelligenz, die das Grundprinzip der Erkenntnis in sich trägt. Alles was später geboren oder geschaffen ist, ist von dieser Ur-Intelligenz durchwoben.
Mahat verdichtet sich zu Ahamkara, dem „Ich-Sein“ als Bewusstsein. Alles bekommt fortan eine Identität, das Urprinzip des Nomens, das Benennbare ist geworden.
Ahamkara
Oft wird Ahamkara als Ego verstanden, ist jedoch in dieser Phase noch vormanifestiert und ist noch reines Bewusstsein. Ahamkara wird im Sanskrit auch später noch als die intelligente Identität jeglicher Materie bezeichnet. Sie ist es, die eine Elektronenbahn in einem Element bestimmt und sie ist die Funktions-Intelligenz in einer Zelle. Erstaunlich ist es, dass in der vedischen Physik, zum Beispiel, die Elektronenbahnen von Kohlenstoffatomen in OM-kara und Svastika, je nach Betrachtungsperspektive, beschrieben werden.
Europa begann erst mit Kopernikus aus der auf 6000 Jahre begrenzten Schöpfungsgeschichte aufzuwachen, während in den Veden die Intelligenz der Evolution beschrieben wird. Äonen und Galaxien werden berechnet und als so zahlreich wie der Sand des Ganges bezeichnet.
Ahamkara besteht aus den triguna, (drei Eigenschaften) der feinstofflichen, vormanifesten Materie.
Tri-Gunas: Die 3 Wellen der Manifestation, die Befruchtung des kosmischen Eies (OMKARA)
Erster Welle: Sattva guna, Konzentration
Sattva, सत्त्व Reinheit, die Essenz, das Seiende.
Sattva wird als höchstes der drei Gunas angesehen. Es ist die aufstrebende Tendenz, ohne aus dem Gleichgewicht zu geraten. Es Verkörpert Klarheit (prakasha) und ist Träger von Mahat (kosmische Intellegenz) in die tieferen Ebenen. Es ist das Prinzip des Lichtes und wirkt erhellend (prakashaka). Es vertreibt die Dunkelheit und bewirkt Erkenntnis. Sattva ist das, dass Umgestalten ermöglicht und führt zu Erlösung. Es wirkt erfreuend, erhellend und ist stille beobachtende Güte. Sattva ist Reinheit शुद्धि Suddhi. Die Farbe ist vorfarblich sanfter Regenbogen.
Wellen der Manifestation, die Befruchtung des kosmischen Eies (OMKARA)
Die vormaterielle Entstehung des Raumes durch Vibrationen (Zellteilung Evolution)
Grundprinzip zuerst (Vibration) wie aus nichts, eine Energieschale, Kreis mit Punkt (Raum schaffen) valaya Zentrum Begrenzung“
Zweiter Welle, Explosion, Wind und Feuer
Rajas रजस्
Rajas ist Leidenschaft, Energie, Dynamik und hat eine kämpferische Natur. Beweglichkeit (cala), Aktion, Handlung und Feuer sind ihr Wesen. Es hat eine stützende Qualität (upastambhaka)
Rajas verkörpert das Triebhafte, Rastlose Glutreiche“ (taijasa) und betrübt und gehört zur bestehend und veränderlich (ashuddhi), die Farbe ist Rot (gelborange ins rote gehend)
(im I-Ging “Töcher des Himmels”)
Dritte Welle Materie, Manifestation, Wasser und Erde
Tamas तमस्, (Dunkelheit)
Es erschwert die Erkenntnis, es ist Unbeweglichkeit, Trägheit, im Chaos ruhend.
Tamas ist schwer (guru), hemmend (varanaka),
Es ist die Ursache, dass sich Dinge gegenseitig verdecken oder fallen.
Tamas wirkt verwirrend und hemmend. Die Eigenschaften bestehend und veränderlich (ashuddhi) werden Tamas zugemessen, die Farbe Schwarz (milchiges Himmelblau).
Prakriti, die Ur-Natur, schöpft sich aus drei gunas oder Qualitäten die nicht gleichwertig sind. Nur im Sein kann die Wirkung der Gunas erfahren werden.
- Die höchste dieser Qualitäten ist Sattva, die Essenz, das Prinzip von Licht, Güte und Intelligenz. Sattva ist der reine Betrachter und ruht in sich selbst, bleibt in der Vollkommenheit und Reinheit und bleibt dadurch auf ewig mit Purusha verbunden.
- Rajas; der Staub ist das Prinzip der Wandlung, Energie und Leidenschaft. Rajas ist der Akt der Betrachtung und überbrückt die Distanz zum Objekt der Betrachtung.
- Tamas; die Dunkelheit zeigt sich als Inaktivität, Langeweile, Schwere und Verzweiflung. Tamas ist das Objekt der Betrachtung
Wenn der Beobachter sich bewusst bleibt, dass er distant von der Beobachtung und vom Objekt existiert, dann ist die Verbindung zu Mahat Ahamkara aufrecht.
18-39 Das Glück, das aus Schlaf, Trägheit und Unachtsamkeit stammt, wird sowohl zu Beginn als auch am Ende
eine Täuschung des Selbst mit sich bringen und wird tamasig genannt.
Bhagavad Gita 18 – 36-39,
Purusas
Purusas, die manifesten einzelnen Seelen und manifestierten Wesen nicht zu verwechseln mit Purusha, der Ur-Seele
Beide, Prakṛti und Puruṣa sind ewig und unveränderbar und sie sind voneinander abhängig.
Purusa`s sind essenziell unveränderlich, inaktive, bewusste Entitäten, die dennoch aus dem Kontakt mit Prakriti profitieren.
Die gesamte Manifestation, alles was wir auch Schöpfung nennen können, entfaltet sich aus einer Vereinigung von Prakṛti und Puruṣa`s
Die Einzelseelen wollen sich sowohl mit der Urnatur als auch mit der Urseele verbinden. Solange sie jedoch durch ihren Entdeckerdrang in der Manifestation gebunden sind können sie die völlige Einheit mit der Urseele nicht bewusst erfahren.
Die Urnatur ist inaktiv, sie unterstützt die Purusha`s mit allem was sie hat und gleichzeitig wünscht sie, dass wir zur Urseele zurückkehren.
Die Menschen verheddern sich mit ihren Aktivitäten mehr und mehr in der Manifestation, der materiellen und mentalen Welt.
Nur im Innenhalten, im stillen Beobachten, im stillen „Bei Sich sein“ können sie die Bindung mit der Manifestation lösen.
In diesem Paradox ist, nach der Samkhya-Philosophie, unsere Existenz gefangen.
Wie bereits erwähnt ist die Samkhya, im Gegensatz zu ihren europäischen oder mediterran antiken, orientalischen Schöpfungs-Mythen, atheistisch und vorreligiös.
Wir sehen zwei Entitäten in der Samkhya: Prakṛti und Puruṣa`s; Urnatur and Personen. Purusa bleibt als Beobachter im Hintergrund
Natur ist singulär, Personen sind vielfach.
Die Vibrationen sind das „Zurückkehren Wollen“, das Nicht-Sein als unerfüllter Wunsch (wird mit der Klangschale verglichen)
Die Kinder der prakriti, die Purusa`s sollen zurück in Einheit kehren können als positives Gegenmodell zur buddhistischen Schmerztheorie.
Die Purusa`s können in der Meditation die Einheit auch in der Getrenntheit erleben.
Ego
Das Ego, das kleine Ahamkara, der ICH-Macher, neigt in seinem „getrennt sein wollen“ zur Bewertung und zu einem Standpunkt. Dadurch trennt das Ego die Bewustseinsverbindung mit Mahat Ahamkara, dem großen Bewusstsein.
Eine ungeeignete Verwendung des Verstandes kann zu Nichtbeachtung der Pancha Yamas und Pancha Niyamas führen. Schmerz und das empfinden von Leid sind die möglichen Konsequenzen.
Betrachtet der Beobachter jedoch vollkommen losgelöst das Objekt der Beobachtung, verschwindet alle Wertung und der Konflikt endet. Ein Gewahrsein und ein Erkenntnis-Bewusstsein treten an die Stelle von Leid und das individuelle Selbst geht völlig im kollektiven Bewusstsein auf.
Two Birds with fair wings, knit with bonds of friendship, embrace the same tree.
One of the twain eats the sweet fig; the other not eating keeps watch.
Where those fine Birds hymn ceaselessly their portion of life eternal, and the sacred synods,
There is the Universe’s mighty Keeper, who, wise, hath entered into me the simple.
The tree on which the fine Birds eat the sweetness, where they all rest and procreate their offspring,
Upon its top they say the fig is sweetest, he who does not know the Father will not reach it.
Rigveda 1.164.20 – 1.164.22, [73]
Prakriti, die Urnatur, ist zwar unbewusst, aber zielgerichtet und neigt zum Nutzen der einzelnen Puruṣa`s zu wirken. Da Prakriti das gesamte physische Universum umfasst, schließt es auch den groben Körper und den feinstofflichen Körper eines Puruṣa ein.
Purusa`s verfügen über die erkenntnistheoretischen „Apparaturen“ manifestierter Wesen, sie leben, sie haben Geist, Intellekt und Sinne. Der Feinstoffliche Körper eines Puruṣa wird nach dem Tod des grobstofflichen Körpers in einem neuen Körper wiedergeboren, und der Puruṣa bleibt weiterhin ein Zeuge von Prakriti, durch seine verschiedenen Erscheinungsformen hindurch.
Eine zentrale Prämisse von Samkhya ist die Erkenntnis von der Unausweichlichkeit von Leid in der manifestierten Welt. Dies ist in der persönlichen Entwicklungsgeschichte von Buddha, ganz in der Samkhya Tradition, abermals sehr schön illustriert.
Beginnend mit der Geburt, die sowohl Mutter als auch Kind Schmerzen zufügt über Hunger, Durst, Krankheit und Schmerz, wird die Zeit körperlich und geistig im manifestierten Zustand als unperfekt erlebt. Oft endet das Leben in einem qualvollen Tod, durch Auszehrung oder Verletzung; oder das Leben wird in Armut geführt und geht im Elend zu eEnde. Dies ist wohl auch der universelle einende Aspekt aller Philosophien und der subsequenten Religionen der Menschheit, eine schlüssige Antwort auf diese Fragen zu finden oder wenigstens zu suchen.
दुःखत्रयाभिघाताज्जिज्ञासा तदभिघातके हेतौ ।
दृष्टे सापार्था चेन्नैकान्तात्यन्ततोऽभावात् ॥ १ ॥
Because of the torment of the three-fold suffering, arises this inquiry to know the means of counteracting it. If it is said that such inquiry is useless because perceptible means of removal exist, we say no because these means are neither lasting nor effective. (1)
Samkhya karika, Verse 1
Samadi
Dem Leid wird Samadi als möglicher Ausweg gegenübergestellt
Samadi, das Bewusstsein von ausgewogener Glückseligkeit, wird dann erlangt, wenn das Bewusstsein über die Tri-Gunas hinausgeht und der vorgeteilte Zustand erfahren werden kann.
Die Schöpfungslehre der Sankhya-Philosophie ist eng mit der Manifestation des denkenden und fühlenden Individuums verknüpft. Jede Philosophie braucht den Geist eines denkenden und erlebenden Wesens und kann als atheistisches Modell nicht ohne den Betrachter auskommen. Samkhya betrachtet das Kleinste und das Größte und so sind Purusha, die Urseele und die vielen Purusas, die Individuen, innerhalb und außerhalb der Manifestation untrennbar miteinander verbunden.
Es gab nie eine Zeit, da weder ich noch du nicht war. Noch diese Könige.
Und es wird nie eine Zeit geben, da wir nicht sein werden.
Bhagavad-gita 02-12
Methodik der Samkhya:
Samkhya, das übersetzt so viel wie Aufzählung bedeutet, erkennt drei Informationsquellen an:
- Beobachtung
- Beweisbasierte Schlussfolgerung und
- Zuverlässige Tradition
Die Reihenfolge ist wichtig, da immer in dieser Ordnung vorgegangen werden soll.
Nur wenn keine eigene Beobachtungen gemacht werden kann, soll die Schlussfolgerung zur Entscheidung herangezogen werden und wenn selbst das nicht möglich ist, soll auf die alte Tradition zurückgegriffen werden.
Eigene Information aus erster Hand ist klar und wirft das Licht von wahrhaftigem Wissen auf das Objekt. Beobachtung selbst ist jedoch nicht einfach, da die Sinnesorgane und die Sinneswahrnehmung der Beurteilung durch die Psyche unterworfen sind.
Die Psyche selbst wieder wird aus drei psychischen Fähigkeiten gebildet: Geist (Manas), Intellekt (Buddhi) und Ego (Ahamkara)Der Geist versucht, mit den von den Sinnen aus der Außenwelt gelieferten Daten intern eine Darstellung von Objekten zu konstruieren.
Der Intellekt trägt aus früheren Beobachtungen und Erfahrungen vorhandenes Wissen zum Verständnis bei.
Das Ego bringt persönlich Bewertung, Wissensansprüche und Vorteilsdenken mit ein.
Somit ist also bereits die eigene Beobachtung ein fehlerbehaftetes Instrument und bedarf der größten Sorgfalt.
Obwohl in der Samkhya also die eigene Beobachtung die zuverlässigste Quelle von Wissen ist und im täglichen Leben eine bedeutende Rolle spielt, eignet sie sich nur unzulänglich, um philosophische Betrachtungen anzustellen. Auch gibt es gute Gründe, warum selbst reale Objekte nicht selbst betrachtet werden können. Sie könnten zu nah, zu fern, zu Klein oder zu groß sein, so dass sie sich der Bewertung durch Betrachtung entziehen.
Weiters können sie, durch sie umgebende Objekte, verborgen oder überlagert sein und darüber hinaus können die Sinnesorgane des Betrachters unvollkommen sein.
Zuletzt kann auch noch ein abgelenkter Geist für Fehler sorgen.
Was für ein komplexes und reifes Konzept, nur über die Wissensgewinnung durch eigene Beobachtung zu reflektieren. Der Samkhya-Philosophie wird in dem Mahabharata, die selbst auf eine über 6000-jährige Geschichte zurückblickt, große Antiquität aus der vorgeschichtlichen Zeit gezollt.
Die vedische Tradition geht zuerst einmal atheistisch der Frage nach dem WARUM nach.
Das Lebensziel eines Menschen besteht darin, die purush arthas, die vier großen Ziele, zu erreichen:
- Dharma; das rechtschaffende Handeln,
- Artha; materielle Sicherheit und Wohlstand,
- Kama; die Erfüllung von positiven Wünschen wie Gesundheit, Nachkommen, gute Ehe und Freunde,
- Moksha; die Befreiung von allen Bindungen.
Artha und Kama
Artha und Kama scheinen auf den ersten Blick recht leicht verständlich, bedürfen jedoch in ihrer Betrachtung eines tiefen Verständnisses von Dharma und Moksha. Wenn wir also der philosophischen Grundlage von Ayurveda nachspüren, wollen wir aus der vedisch-indischen Perspektive mit Dharma beginnen, der Kunst des rechten Handelns, die in der Behandlung im Raja Yoga seine Entsprechung findet.
All jene, die sich mit dem Mahabharata beschäftigt haben, werden diesem Gedanken leicht folgen können. Die Dynamik des epischen Dramas beginnt sich zu entfalten, nachdem Königin Kunti Gott Yama, Herrn über das Dharma bittet, sie mit einem Sohn zu segnen; Dieser Sohn Yudisthira, der älteste der Pandavas, ist legitimer Erbe des irdischen Königreiches. Er und seine vier Brüder, die Pandavas bereiten im spirituell- literarischen Epos, dem Mahabharata, die Bühne für Krishna. Krishna ist die Inkarnation von Vishnu dem Erhalter-Gott. In Folge wird Krishna in allen schicksalhaften Entscheidungen und Handlungen auftreten und am Höhepunkt der Baghavat Gita alles auflösen. Aufgeschrieben wurde das Mahabharata zwar erst im 2. vorchristlichen Jahrtausend, die historischen, geologischen und archäologischen Quellen lassen die Zeit Krishnas jedoch auf min. 6000 Jahre vor unserer Zeit datieren.
So begab sich zum Beispiel einer der Helden dem Mahabharata vor der großen Schlacht auf eine Pilgerreise zu Saraswati vinasana, jenem Ort, an dem der Heilige Fluss Saraswati in der heute pakistanischen Wüste versiegte. In den ältesten Veden wird Saraswati noch als gewaltiger Strom, von den Götterbergen bis zum Meer, beschrieben. Saraswati war also Zur Zeit Krishnas bereits am Versiegen. Nachdem geologische Beweise das endgültige Verschwinden des ehemals stolzesten Flusses auf ca. 2500-3000 vor Christus datieren, muss Saraswati vinasana in dieser Zeit angesetzt werden.
Dieser Strom Sarasvatī mit fördernder Strömung kommt hervor, unsere sichere Verteidigung, unser Fort aus Eisen.
Wie bei einem Wagen fließt die Flut weiter und übertrifft die Majestät und alle anderen Gewässer.
Rein auf ihrem Weg von den Bergen zum Meer, allein von den Bächen, hat Sarasvatī zugehört.
Sie dachte an Reichtum und die große Welt der Kreaturen und schenkte Nahuṣa ihre Milch und Fett ein.
Krischna gibt in der Bhagavat Gita eine zusätzliche Interpretation von Dharma, einen definierten Rechts- und Verhaltenskodex, der bereits davor Gültigkeit hatte und somit tief in die Zeit vor dem Mahabharata in die Vorgeschichte zurückreicht
Die Bhagavad Gita geht zentral einigen Fragen nach: „Wie lebt man im Alltag und besonders unter schwierigen Bedingungen ein spirituelles Leben? Ist es überhaupt möglich, in einer vom Materialismus geprägten Welt ein spirituelles Leben zu führen?
Arjuna fragt Krishna: „Was ist mein Dharma?“ „Wie kann ich Sünden vermeiden, wie kann ich vermeiden Schuld auf mich zu laden?“
Krishna zeigt Wege auf zur spirituellen Entscheidungsfindung und dass es wichtiger ist, wie man etwas tut, als was man tut.
Krishna wechselt den Standpunkt, einmal erklärt er die Welt aus dem Sichtwinkel der Jnana Yoga-Philosophie, nach der es nur eine unendliche, allumfassende Realität gibt und die manifeste Welt fast wie durchlässig, unwirklich und unwirksam erscheint; Sie IST NICHT!
Oh Arjuna, der Kontakt mit den weltlichen Objekten führt zur Empfindung von Kälte und Hitze, Glück oder Unglück.
Diese Empfindungen haben einen Anfang und ein Ende, sind nicht dauerhaft. Ertrage sie standhaft.
Bhagavat gita 02-14
Andererseits zeigt Krishna auch auf, was in der manifesten Welt geschieht, die Gunas, die fundamentalen Qualitäten und Eigenschaften der Natur, in ihren drei Hauptausprägungen und Konsequenzen werden diskutiert.
Weiters zeigt Krishna Arjuna die Welt aus der Perspektive von Karma Yoga.
„Tue, was zu tun ist, tue es so gut du kannst und dann lasse los. Tue die Handlung und löse dich von den Konsequenzen der Handlungen.“
Und schlussendlich spricht Krishna den Weg des Bhakti Yoga an. „Du machst nichts, Gott macht alles.“
Und schon sind wir mitten in der Dualität!
„Nichts IST“, es kann also nicht gehandelt werden und dennoch hat es Gunas, also Eigenschaften, „handle nach deinem Besten vermögen“.
Krischna sagt: „Beherrsche die Sinne“ Um einige Verse später zu sagen: „deine Natur wird dich bezwingen, es ist nicht möglich dich zu Beherrschen“
Ein weiteres höchst interessantes Gegensatzpaar ist die personifizierte Gottesverehrung versus der abstrakten Selbstentwicklung, die tausende Jahre später im Buddhismus einen Höhepunkt finden sollte. Buddha löst die Gottesverehrung ganz in der Samkhya Tradition auf. Durch die Verehrung der Bodhisattwas und heute der Lamas geht der Buddhismus teilweise wieder in eine personifizierte Gottesverehrung wie im Hinduismus zurück.
Krishna sagt: Gita 3/11-15
देवान्भावयतानेन ते देवा भावयन्तु व
परस्परं भावयन्त: श्रेय: परमवाप्स्यथ
devān bhāvayatānena te devā bhāvayantu vaḥ
parasparaṁ bhāvayantaḥ śhreyaḥ param avāpsyatha
the purpose behind creating and worshiping a divine entity, is so that that divine entity reflects that action back on our own self, thereby raising us to a higher level of living, ascribed with that deity.
„Der Grund, warum wir göttliche Wesen kreieren und sie Verehren ist der, dass jene göttlichen Eigenschaften, die wir ihnen beimessen auf uns zurückfallen und wir auf ein höheres Niveau aufsteigen können, welches mit diesem Wesen verbunden wird.“
Die Gegensatzpaare, ein Fundament der vedischen Hochkultur, werden in allen alten Texten und Lehren herausgearbeitet und im vedischen Kontext durch den Beobachter, der dritten Ebene, ergänzt. Durch die Vermittlung der dritten, der Beobachterebene müssen die Gegensatzpaare nicht zwangsläufig in Konflikt treten, sondern können balanciert werden. Moksha ist das auflösen des Gegensatzes und das höchste Ziel.
Handle rechtschaffen, aber nichts geschieht durch dich – alles geschieht durch Gott!
Manifest und Vormanifest, Verehrung und Nichtverehrung, Himmel und Erde stehen sich wie Handlungen und Nichthandlungen gegenüber. In der chinesischen Sicht und in der westlichen Weltsicht scheint bis zum Auftreten von Hegel diese Dualität genug, in der vedischen Sicht gibt es dazu noch Satva, den Beobachter der Dualität.
Satva kann durch Nichtinvolviertheit in der Dualität erfahren werden, Yoga ist eine Annäherung um in diesen Zustand zu gelangen. Patanjali, einem Philosophen aus dem 2. vorchristlichen Jahrhundert wird die yoga sutra, zugeschrieben und in der Sammlung Ashtanga Yoga werden die acht Zweige des persönlichen Entwicklungsweges beschrieben. Vor allem präsentiert er einen guten Überblick über das Dharma durch die fünf Yamas und die fünf Niyamas.
Die Selbstentwicklung/Selbsverwirklichung in Yoga ist eine Perspektive, in der der Mensch nicht vom Gnadenakt einer göttlichen Entität abhängig ist, sondern aus sich selbst heraus den höchsten Seins-Zustand erreichen kann.
YAMA – Enthaltung Einschränkung, zu meiden sind:
- Gewalt
- Besitzgier
- sexuelles Fehlverhalten,
- Lügen
- Stehlen
NIYAMA – Pflichten „Tue, was zu tun ist, tue es so gut wie du kannst und dann lasse los“. Handle nach Pancha Niyama, den fünf Handlungsanleitungen:
- Reinheit
- Entsagung
- Selbsterforschung
- Genügsamkeit
- Hingabe
Die Pancha Yama und Pancha Niyama gelten als die Grundregeln von Dharma.
Das Meistern von Yama und Niyama gilt traditionell als Voraussetzung für das weitere beschreiten des ashtanga Yoga Weges.
ASANA – Stellungen, die Wurzel von Asana ist „Asa“; existieren und stabil sein, dies zeigt sich in innerer und äußerer Haltung.
PRANAYAMA – Yoga des Atems Wir sind die einzige Spezies, die bewusst den Atem und damit unsere Lebensgeschwindigkeit beeinflussen können. Ayurveda misst das Leben nach Atemzügen.
Bewusstes Atmen ist bewusstes Leben.
Pratyahara – Rückzug der Sinne, dies ist der fünfte Weg in Pantanjali.
Wenn wir lernen unsere Sinne zu kontrollieren und bewusst zurückzunehmen bewegen wir uns vom IST zum IST NICHT. Nicht die komplette Auflösung muss das Ziel sein, es reicht schon von der massiven Überflutung zurückzuweichen, um eine tiefe meditative Achtsamkeit zu erleben.
DHARANA – Konzentration. „Es ist wichtiger, wie man etwas tut, als was man tut.“
Ohne eine gewisse Übung in Pratyahara kann Dharana sich nicht zur vollen Blüte entfalten.
DHYANA – Meditation; personifizierte Gottesverehrung versus die abstrakte Gottesverehrung
Der Meditierende verschmilzt, geht völlig im Akt der Betrachtung und dem Objekt der Betrachtung auf. Die drei Kräfte, Rajas- Tamas- und Sattva Guna fließen sanft zusammen. Ein Zustand der Nichtdominanz entsteht.
SAMADI – Auflösung aller Bindungen.
Kein Gut, keine Beziehung, der Körper,
alle Erinnerungen, Freude und Schmerz,
sie alle sind Ausdruck der Gunas,
der Eigenschaften des Manifestierten.
Die Welt und alles woran man anhaften könnte,
es ist NICHT!
Samadi bedeutet von dem,
was nicht ist, loszulassen.
Mehr dazu bei Yoga
Yama und Niyama beinhalten die Natürliche Gesetzmäßigkeit des richtigen Handelns und die die panchayama, die fünf Pflichten und Enthaltungen sollen helfen ein erfülltes Lebe zu führen.
Nach den Lehren des Hinduismus hinterlassen alle Bindungen, die nicht vollständig gelöst sind, Bedingungen. Dies geschieht ohne Wertung. Wenn eine Bindung an Freude, Liebe, Schönheit bestehen so führt dies ebenso zu einem in die Wiedergeburt verfangen sein, wie die Anhaftung an negative Bindungen oder starke Ablehnung. Der einzige Unterschied ist, dass durch die Bedingungen die Verhältnisse von Geburt und Leben zwischen angenehm und unangenehm verändert werden.
Moksha, dass nichtmehr Wiederkehren, das Austreten aus dem Rad der Inkarnation ist nur nach völligem lösen aller Bindungen möglich. Der Begriff Sünde im hinduistischen Sinn ist so zu verstehen, dass wenn ich Unrecht begehe, die Geschädigten durch meine Handlungen mit mir in Verbindung bleiben, bis die Verbindung sich wieder löst. Wenn ich vermeide zu schädigen, dann entsteht keine Bindung, die durch ihre innewohnende Schwerkraft meinen persönlichen Weg in diesem oder späteren Leben mitlenken kann.
Wenn eine Bindung entstanden ist, egal ob das Unrecht von mir ausgegangen ist oder mir widerfahren ist, habe ich gleich wie die andere Seite ein vitales Interesse an einem Ausgleich und der vollständigen Auflösung der Anhaftung.
Mit Sicherheit können wir anhand einer Vielzahl von Quellen festhalten, das Samkhya mit seinem Überwinden des metaphysischen Dualismus die führende Philosophie über die letzten Jahrtausende in Indien und der gesamten hinduistischen asiatischen Frühzeit gestellt hat.
Mit dem Buddhismus ist die Samkhya-Philosophie im vorchristlichen Jahrtausend in Fragmenten auch in die nichthinduistischen Länder Nordasiens gelangt und hat dort Spuren hinterlassen.
Buddhismus: Buddha, Siddhartha Gautama 563–483 v. Chr.:
Zur Zeit Buddhas war die vedische hinduistische Gesellschaft in eine verwirrende Vielfalt von Ritualen und Religionen aufgefächert, die oft nur noch schwer den zugrundeliegenden, jahrtausendealten philosophisch-atheistischen Unterbau der Samkhya erkennen ließen.
Nach Ansicht einiger Linguisten wird Samkhya als parallel zum Buddhismus entstanden eingeordnet, berücksichtigen jedoch dabei nicht, dass der Buddhismus tatsächlich an die Person des historischen Siddhartha Gautama gebunden ist und es gerade in dieser Zeit Mode wurde, ältere Texte niederzuschreiben. So fällt das Auftauchen erster vollumfänglicher Niederschriften der vormals ausschließlich dem oral überlieferten Samkhya mit dem Leben und Wirken Siddhartha Gautama zusammen und hinterlässt auch im Buddhismus reichlich Spuren. Dies ist insofern nicht Verwunderlich, da Gautama als Prinz sicherlich von den führenden Gelehrten der Zeit erzogen und ausgebildet wurde.
Die spirituelle Entwicklungsgeschichte Buddhas illustriert auf bewegende Weise eine radikale Umkehr aus der bestehenden Tradition. Er reformiert die gängige religiöse Praxis voller Opfer, auch Tieropfer, der klassischen Zeit. Buddha führt auf den alten vedischen Weg der Selbstentwicklung und Befreiung zurück.
Interessant und vielleicht auch ein wenig unglücklich ist zu sehen, dass später durch die personifizierte Verehrung Buddhas, der Bodhisattwas und der Lamas, der Buddhismus einen ähnlichen Weg eingeschlagen hat wie der vorbuddhistische Ritualismus.
Augenscheinliche bleibende Entwicklungen sind Gewalt Freiheit und der Verzicht auf Tieropfer.
Hinduismus
Der Hinduismus, sanātana dharma सनातन धर्म das ewige Gesetz.
Der variantenreiche Religionskomplex und die Rituale des Hinduismus sind in einzelnen Ausprägungen polytheistisch. Der vedische Hinduismus war von etwa 1200 bis 600 v. Chr. vorwiegend polytheistisch. Er hat sich in späterer Zeit Richtung Monismus weiterentwickelt. Nur auf den ersten oberflächlichen Blick von außen scheint die Götterwelt vielfältig.
In der Mahakala Samhita wird das Prinzip „Maha“ Groß und „Kala“ Zeit was „Jenseits von Zeit und Tod bedeutet und als eine Ausprägung der Urnatur, der urmütterlichen Energie angesprochen. In dem folgenden Shloka wird die Vielheit und Einheit des Hinduismus auf sehr poetische Weise dargelegt.
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„Wie die Sonne, die sich in den Wellen spiegelt, als unzählige Sonnen erscheint, so erscheinst auch du, O Mutter, als viele
– Du Eine, ohne ein Zweites, höchstes Brahman!“
In den Klassischen Samkhya Texten werden viele praktische Möglichkeiten aufgezeigt, die dunklere, ungewollte Seite des Lebens abzuwehren oder zu mildern. Es werden praktische Empfehlungen wie Selbstverteidigung, Hinwendung zu dharma gemäßen Vergnügungen, Medizin und Meditation beschrieben und empfohlen.
Laut Samkhya sind diese Zerstreuungen jedoch alle nur von begrenzter Wirksamkeit. Sie können im besten Fall nur vorübergehende Linderung verschaffen. Damit tritt ein neues Konzept in den Mittelpunkt des Strebens.
Die traditionellen vedischen Religionen bieten ebenfalls keine endgültige Lösung an. Die Rituale und Opfer führen nicht zu einer vollständigen Reinigung. Die möglichen Belohnungen, die sie versprechen, ist durchaus mit dem christlichen Himmelreich vergleichbar; mit dem Unterschied, dass es im Hinduismus eben nicht von Dauer ist.
Nach dem Ablaufen der Belohnungszeit wird die Seele wieder in das Rad der Wiedergeburt eingebunden und der Entwicklungsweg kann erneut durchschritten werden.
Einig sind sich die Samkhya Traditionalisten, die Angehörigen der hinduistischen Religionen und die Buddhisten wieder in der Lösung des Dilemmas. Allen gemeinsam ist die Einsicht, klassisch nach Samkhya, dass nach klarer Analyse die grundlegende metaphysische Struktur der Welt und der Urnatur die ultimative Quelle des Leidens ist.
Laut Samkhya ist das Auflösen der Wurzel des Leides, das Beenden der Wiedergeburt, der einzige Weg zur endgültigen Befreiung vom Leiden.
Nur der Aufstieg zur höchsten Erkenntnis wird als finale Lösung vorgeschlagen.
Moksha
Wenn der grundlegende Unterschied zwischen Urnatur und Personen erkannt wird, verliert ein individueller Puruṣa völlig das Interesse an der Prakruti, der Urnatur, der materiellen Schöpfung. Dadurch erlangt das Einzelwesen endgültig Moksha, die Befreiung, die höchste kollektive Erkenntnis und wird für immer von allen Körpern befreit.
As the unconscious milk functions for the sake of nourishment of the calf,
so the Prakriti functions for the sake of moksha of the spirit.
Samkhya karika, Verse 57